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Twilight Zone

Autor: Michael Fiukowski         🔘         Lesezeit: ~5 Minuten          🔘         Zeitraum: 10. März 2019 (Vesterålen)

Ein Ort voller Erinnerungen

Die Klimaanlage im Kompaktwagen läuft auf Hochtouren. Erhitzte Luft vom Motor bläst uns unentwegt ins Gesicht. Nicht mehr lange und wir kommen ans Ziel an. Ein Ort, der tiefe Erinnerungen in uns geschaffen hat, die wir nie wieder vergessen werden; nie wieder vergessen wollen. 

Im Sommer 2016, es war ein extrem verregneter & ungemütlicher Tag zum Wandern, ließ ich hier Sarah in einer Notunterkunft in Form eines Tipis zurück. Mit schmatzenden Schritten versanken meine Stiefel in mit Wasser durchtränktem Strand. Ich sprang auf vereinzelt stehende Felsen über den Durchbruch eines Sees und wandelte entlang abschüssiger, glitschiger Berghänge bis zum Parkplatz bei Nyksund, dem Anfang der Dronningruta, zurück. Derweil hatte Sarah in der Zeit einen neuen Highscore bei Doodle Jump aufgestellt.

Vollkommen Isoliert

Heute ist die Atmosphäre inmitten des polaren Winters eine ganz Andere, eine Besondere.

Am Parkplatz in Stø angekommen, berührt die kräftig glühende Sonne schon sehr früh den Meereshorizont. Selbst mit Sonnenbrille erkenne ich mit zusammengekniffene Augen kaum etwas. Aufgrund des hohen Schnees kommen wir hier nicht zum Strand hinunter und fahren zur Langenes Kirke. Knirschender Schnee, der unter der Last des Autos zerdrückt wird, und das Motorengeräusch vom Auto waren von nun an die letzten Zivilisationsgeräusche. Mit einer einfachen Drehbewegung des Autoschlüssels lass ich den Motor verstummen. Der Sturm der letzten Tage ist gewichen und wir sind komplett von Stille umgeben. Selbst das Meeresrauschen wird vom Schnee zum Schweigen gebracht. Es erscheint sonderbar, wie still das Meer in seiner Bewegung doch sein kann. 

Beklemmende Stille

Mit wärmenden Sachen machen wir uns auf die Suche nach dem Küstenweg zwischen Stø und Langenes. Wir finden weder Schilder, noch Markierungen, die auf den Weg hinweisen und gelangen immer tiefer in den Schnee. Das Atmen fällt uns mit jedem Schritt schwerer und der Puls rast. Keuchend atmen wir die bitterkalte Luft in unsere Lungen ein. Nach nur wenigen Sekunden entledigen wir uns der Winterjacken, denn erste Schweißperlen laufen schon am Rücken entlang.

Wir enden auf einem Hof mit ausgeschlachteten alten Autos, der verlassen scheint.

Mit stockendem Atem halten wir kurz an. Die Stille wirkt auf einmal beklemmend auf uns. Ohne Diskussion kehren wir um und treten den Weg zurück in die von uns vorgefertigten Fußstapfen an.

 

Wir beschließen nicht komplett aufzugeben. Ein paar Meter hinter der Kirche zweigt ein Weg hinunter zum Wasser ab. Wie aus dem Nichts erscheint der Mond direkt über eine Anhöhe. Erst jetzt bemerken wir, wie magisch das Licht ist. Es zeigt sich in all seinen Facetten. Angefangen von sanften Pastelltönen bis hin zu tiefstem Blau, wie man es wohl nur hier oben bestaunen kann. Sarah geht vor mir und ich falle immer wieder zurück. Ich kann mich kaum satt sehen am Farbspektakel. Die Landschaft, die darin getaucht wird, ist nicht weniger beeindruckend. Selbst auf der Kamera kann man nur ansatzweise erahnen, wie es hier wirklich aussieht.

Ich muss einfach stehen bleiben ...

In der Ferne stehen zwei typische, norwegische Fischerhäuser. Selbst ein Maler hätte kein besseres Bild von dieser Kulisse aus freien Stücken zeichnen können. Eine Harmonie aus Farben & Formen. Wir bleiben für eine ungewisse Zeit stehen, denn die spielt hier kaum noch eine Rolle. 

 

Erst als es dunkel wird machen wir uns mit dem Auto auf den Rückweg und gelangen auf eine Überführungstrasse. Zur linken und rechten Seite sind wir von Wasser bzw. Eis umgeben. Vor uns das ewige Panorama Norwegens. Einige Punkte aus Sternen und Lampen blinken in der Ferne auf. Die Nacht bricht über uns hinein und aufkommender Wind wirbelt an einigen Stellen den Schnee auf, der aber niemals die Stille zerreißt. Das Zwielicht taucht die Gipfel in eine Farbe, die Ich einfach mit meiner Kamera festhalten muss. Unbeschreibliches Norwegen.

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